Das Myklebust-schiff
Das Myklebust-Schiff ist das größte Wikingerschiff, das in Norwegen gefunden wurde. Es wurde 1874 in einem Grabhügel in Nordfjordeid entdeckt, ging aber seitdem von vielen vergessen. Jetzt ist das Schiff nur wenige Meter vom Fjord entfernt, wo es vor über 1‘000 Jahren zum ersten Mal ins Wasser lief, aus der Asche auferstanden.
- Gesamtlänge 30m / 100 Fuss
- Breite 6m
- Höhe im Bug ca. 7m
- Anzahl der Ruder 24 Paare
- Anzahl Schildwölbungen 48
- Anzahl Nieten / Nägel mit Rø ca. 7000 Stk
- Anzahl der Holznägel ca. 700
- Geschätztes Gewicht ca. 16 Tonnen
Der Grabhügel mit dem großen Schiff
Der junge Archäologe Anders Lorange kam 1874 von Bergen nach Nordfjordeid, um den großen Grabhügel zu untersuchen, der unter den Einheimischen als „Rundehågjen” oder „Lisje Skjoratippen” bekannt war. Der Hügel steht auf Myklebustgarden, einem Bauernhof mit fünf Grabhügeln. Aber genau dieser Hügel stellte sich als etwas Besonderes heraus.
Der Hügel hatte einen Durchmesser von etwa 30 Metern, war fast 4 Meter hoch und hatte einen breiten Graben um ihn herum. Der Hügel enthielt die Überreste eines fantastischen Wikingerschiffs und eine Reihe hochrangiger Objekte vom Ende des 9. Jahrhunderts. Die prächtigen Bestattungsreste im Hügel und Spuren der mysteriösen Rituale, die bei der Beerdigung durchgeführt wurden, gaben einen faszinierenden Einblick in die Lebensweise und Weltanschauung der nordischen Gesellschaft, die vor über tausend Jahren in Nordfjordeid lebte.
Das Schiff im Hügel erhielt den Namen des Hofs, auf dem es gefunden wurde, und wurde daher Myklebust-Schiff genannt. Leider geriet das Schiff in den Schatten der Wikingerschiffe, die nur wenige Jahre später gefunden wurden: das Gokstad-Schiff im Jahr 1880 und das Oseberg-Schiff im Jahr 1904. Der Grund lag darin, dass letztere intakt gefunden wurden, während das Myklebust-Schiff bei der Beerdigung verbrannt worden war. Vom Myklebust-Schiff war daher nicht viel zu sehen. Aber der Grabhügel enthielt Spuren einer stolzen Vergangenheit für das Schiff und den Verschütteten. Diese Geschichte ist es, was Sagastad im neuen Wissenszentrum den Besuchenden zugänglich machen will.
Ein königliches Schiff
Die Größe des Schiffes ist aufgrund mehrerer Funde bekannt: zunächst die Anzahl der Nieten und Nägel (mindestens 7000) als auch deren Größe waren ungewöhnlich. Die Größe variierte je nachdem, was auf dem Schiff gestanden hatte, und die Länge sagte aus, wie dick die Gangways auf dem Schiff gewesen sein mussten. Das zweite Indiz war die große Menge an Asche im Hügel. Die Ascheschicht erstreckte sich bis zu beiden Rändern des Hügels, und in der Mitte befand sich eine doppelte Schicht, die durch eine Sandschicht getrennt war. Die zweite Schicht könnte die brennenden Überreste der Enden des Schiffes gewesen sein, die in die Mitte geworfen worden waren, bevor der Hügel über dem Grab gebaut wurde. Der dritte Hinweis war die Anzahl der Schildwölbungen im Grab. Insgesamt wurden 44 Schildwölbungen gefunden, von denen angenommen wird, dass sie die Besatzung des Schiffes darstellen. Diese Zahl gilt als Mindestzahl, da das Grab erst zur Hälfte ausgegraben wurde. Der Schild würde wahrscheinlich entlang der Reihen auf dem Schiff platziert und gibt uns daher ein Bild von der Länge des Schiffes. Basierend auf diesen Punkten beträgt die geschätzte Länge des Myklebust-Schiffes etwa 30 Meter, womit das Schiff größer ist als sowohl das Oseberg-Schiff als auch das Gokstad-Schiff.
In der Wikingerzeit gab es viele verschiedene Arten, eine Person zu bestatten, aber Schiffsgräber mit Hügeln waren etwas, das nur die Reichsten und Mächtigsten bekamen. Davon zeugen auch die Gegenstände im Grab. Mit ihm hatte der Tote ein komplettes Set an Waffen, Schmuck, und Teile von Gesellschaftspielen. Das schönste Fundstück war jedoch ein keltisches Bronzegefäß, das die verbrannten Knochenreste beherbergte. All dies weist darauf hin, dass es sich beim Begrabenen um einen reichen Mann gehandelt haben muss, einer, der im Mittelpunkt der Gesellschaft stand – wahrscheinlich ein Wikingerkönig. Das Myklebust-Schiff kann als königliches Schiff gezählt werden – ein Schiff, das der letzten Reise nach „Walhall” würdig ist.
Die Rekonstruktion des Myklebust-Schiffes
Im Herbst 2016 wird in Nordfjordeid und in Bjørkedalen eine neue Wikingergeschichte geschrieben. Nach Planungen seit Anfang der 90er-Jahre beginnen die Pläne für ein Zentrum, das die Funde und die Geschichte aus der Wikingerzeit in Nordfjordeid zeigen wird, Gestalt anzunehmen. Geschickte und erfahrene Bootsbauer aus Bjørkedalen beginnen mit der Rekonstruktion des Myklebust-Schiffes, wie es unserer Meinung nach ursprünglich ausgesehen haben könnte. Bjørkedalen, in der Nähe von Nordfjordeid, ist einen kleinen Ort mit langer Tradition im Bootsbau, Traditionen, die bis in die Wikingerzeit zurückverfolgt werden können und wahrscheinlich sogar noch länger bestehen. Der Zugang zu gutem Wald hat dazu geführt, dass Bootsbau in Bjørkedalen stets eine grosse Bedeutung hatte, und bis heute werden dort Wikingerschiffe und andere Holzboote gebaut. Die Bootsbauer mit ihrer lebendigen Tradition trugen daher entscheidend dazu bei, das Myklebust-Schiff realisieren zu können.
Als königliches Schiff war das Myklebust-Schiff ein Symbol der Macht und muss reich mit Schnitzereien verziert gewesen sein. Kopf und Heck des neuen Schiffes wurden von Master Cutter Rolf Taraldset aus Hornindal geschnitzt und auf das fertige Schiff montiert. Sagastad hat sich zum Ziel gesetzt, das Schiff weiter mit Schnitzereien sowohl im Rumpf als auch im Heck zu dekorieren. Die Arbeiten können von der Öffentlichkeit mitverfolgt werden, wenn diese in Gang kommen.
Das Schiff wurde im Frühjahr 2019 fertiggestellt und auf dem Fjord zu Wasser gelassen. Es ist ein gutes Nutzschiff mit guten Manövriereigenschaften und liegt elegant auf dem Wasser. Das Schiff ist bereit, den Mast und die Takelage montieren zu bekommen, und es ist geplant, das Schiff in Zukunft mit einem Segel zu versehen. Sagastad strebt an, das Schiff zu speziellen Gelegenheiten zu Wasser zu lassen, um auf dem Fjord Rudertouren und mit der Zeit auch Segeltörns zu veranstalten. Das Schiff wird täglich als wichtigster Teil der Ausstellung in Sagastad sicher aufbewahrt und ist mit einer Gangway ausgestattet, um Gäste an Bord willkommen zu heißen.